Trockenmauer-Bau Solreben
Text: Ludwig Degelo, Bonstetten, Vereinsmitglied
Februar 2020
Schon seit längerer Zeit war es ein Anliegen des Vereins Naturnetz Unteramt die Trockenmauern im Sol, Bonstetten zu sanieren. Insgesamt sind in dem ehemaligen Rebbaugebiet, auf das wir hier später noch zu sprechen kommen, drei Trockenmauern erhalten geblieben. Nach einer Bewertung der drei Objekte im Sommer 2018 legte man sich auf die Sanierung einer Mauer nahe der Flurstrasse auf dem Grundstück der Familie Ruedi Glättli fest.
Uraltes Wissen ging verloren
Das Wissen über die Erstellung einer Mauer oder Wand in trockener Bauweise, d.h. ohne verbindenden Mörtel ist uralt und fand vor allem im bäuerlichen Umfeld Anwendung. Die Grundlage dieser Technik würde man heute als nachhaltig bezeichnen. Es wurden keine Maschinen verwendet, das Steinmaterial war lokal vorhanden entweder aus Steinbrüchen oder Lesesteinen bzw. Findlingen und konnte auch wiederverwendet werden. Das Resultat war ein äusserst stabiles Bauwerk, das auch Bodensetzungen Stand hielt. Die Wasserdurchlässigkeit sowie die Reparaturfreundlichkeit sind weitere Merkmale einer Trockenmauer, die bei fachmännischer Ausführung problemlos über hundert Jahre alt werden kann. Jedoch ist der zeitliche Aufwand für den Bau sehr gross, rechnet man doch für einen Quadratmeter Mauerwerk mit einem Aufwand von ca. 8 Arbeitsstunden. Das Wissen über die fachmännische Ausführung einer Trockenmauer ging in Mitteleuropa im 20. Jahrhundert weitgehend verloren. Dank der Bestrebungen der Stiftung Umwelt-Einsatz Schweiz konnte dieser Verlust weitgehend kompensiert werden.
So sah die Mauer im Sol, Bonstetten vor der Sanierung aus.
Der grosse ökologische Wert der Trockenmauer
Aber warum bemüht sich der Verein Naturnetz Unteramt für die Instandstellung von verfallenen Trockenmauern? Eine solches Bauwerk bietet Wärme und Unterschlupf aber auch Jagdgelegenheiten für viele bedrohte Tierarten. Nicht nur sonnenliebende Reptilien wie Ringelnatter, Blindschleichen und Zauneidechsen nützen die sonnenexponierte Mauerkrone, sondern auch Amphibien wie Feuersalamander und Erdkröte finden im feuchten Mauerfuss hinter einem Krautsaum einen Unterschlupf ja sogar ein Winterquartier. Bei der Beseitigung der Bestockung im Herbst 2018 konnten über 30 Feuersalamander gezählt werden. Aber auch für Insekten und Pflanzen bietet die Trockenmauer einen attraktiven Lebensraum.
Nach einer Kurswoche bei einem ausgewiesenen Fachmann und zahlreichen kleineren und grösseren Projekten in der Innerschweiz und im Tessin fühlte sich der Schreibende fit für die Bonstetter Trockenmauer. An 24 Tagen waren 20 verschiedene freiwillige Helfer mit der Beschaffung von Steinen und dem Aufbau der Mauer beschäftigt. Es wurden total 421 Stunden aufgewendet, davon 335 Stunden für den eigentlichen Bau der Mauer. Insgesamt wurden fast 30 Tonnen Steine verbaut. Alle Teilnehmenden hatten die Grundlage des Trockenmauerns schnell begriffen, aber dann kam das Sprichwort zum Tragen „Übung macht den Meister“. Einmal mehr zeigte es sich, dass die acht teilnehmenden Frauen die sehr wichtige Hinterfüllung der Mauer mit Bravour meisterten. Beim Abbau der defekten Mauerpartien wurde festgestellt, dass die Mauer ursprünglich nicht trocken gebaut, sondern Kalkmörtel als Binder verwendet worden war. Das Fundament der alten Mauer liegt 0.5 Meter unter dem heutigen Niveau; beim Bau der Flurstrasse wurde der Gehhorizont um diesen Betrag angehoben. Als Material wurde in der ursprünglichen Mauer mehrheitlich Findlinge aus den umliegenden Äckern verwendet. Die unterschiedlichen Granit-, Kalk-, Gneis- und Sandsteine geben Zeugnis von der Zeit als das Knonauer Amt noch von Gletschern bedeckt war.
Mauer Solreben nach der Sanierung, bereits die alte Mauer war an dieser Stelle mit einer kleinen Treppe versehen als Zugang zum Weinberg.
Ein kulturhistorisches Zeugnis
Flurnamen wie Solreben, Rebacher und Stockreben verraten es uns, hier an diesem nach Südosten ausgerichteten Hang war die bevorzugte Lage der Bonstetter für ihre Rebberge. Dank der relativ schwachen Hangneigung hielt sich der Aufwand für die Terrassierung der korrosionsgefährdeten Rebberge in Grenzen, es waren offenbar nur drei Mauern notwendig.
Der Rebbau im Knonauer Amt hat eine lange Geschichte. Ein erstes Zeugnis vernehmen wir aus dem Jahr 1682, als Johann Heinrich Zwingli, der Pfarrer von Affoltern, seinen Obstgarten und die Reben mit dem Gewehr hütete. Er schoss auf einen jungen Mann und verletzte ihn gefährlich am Kopf. Am Donnerstag 5. Sept. 1686 wurde Stillstand gehalten in der Kirche Bonstetten. Dabei wurde festgestellt, dass Felix Fräch mit seiner Frau während der sonntäglichen Nachmittagspredigt in die Reben gegangen sei. Er musste im Pfarrhaus Abbitte leisten.
Der Weinbau in unserer Gegend wurde von den Bauern mehrheitlich zur Selbstversorgung betrieben. Das zeigt uns die erste systematische Erfassung der Liegenschaften und deren Besitzer aus dem Jahre 1801. Von den 133 Bonstetter Liegenschaftsbesitzer bewirtschaften 84 einen eigenen Weinberg. Bonstetten hatte damals ca. 800 Einwohner. Der kleinste Rebberg hatte eine Fläche von 225 m2 und der Grösste eine solche von 1400 m2. In einer Karte aus dem Jahre 1900 sind im Gebiet unter der heutigen Strasse Richtung Islisberg 17 Räbhüsli eingezeichnet, heute ist nur noch ein Exemplar erhalten, es soll in Kürze abgerissen werden. Eine Karte aus dem Jahre 1880 zeigt, dass neben dem grössten Gebiet im Sol auch auf dem Giebel, Chäseren und Buen kleine Weinberge vorhanden waren. Ja sogar oberhalb des Dorfes im Späten und Rüti gab es gut 500 m2 Rebland. Im Jahr 1814 kultivierten die Bonstetter auf einer Fläche von 8.8 ha Weintrauben. Leider wissen wir heute nicht mehr welche Traubensorten in Bonstetten angebaut wurden, vermutlich war es die alte und robuste Blauburgunder Traube. Aber auch die alte weisse Rebsorte, der Räuschling könnte verwendet worden sein.
Das oben erwähnte Liegenschaftsverzeichnis weist die detaillierten Flächen pro Besitzer für Acker, Weiden, Obstgärten, Reben, Anteile an Holz und Weide, aber auch Hanfgärten aus. Diese lagen immer in Dorfnähe z.B. Hofwies und Eiacher, jedoch mehrheitlich in der heutigen Büelmatt. Hanf diente neben Flachs vor Einführung der Baumwolle als hauptsächlicher Faserlieferant für die Textilherstellung. Ungefähr die Hälfte der Bonstetter Grundbesitzer baute Flachs und Hanf auf einer Fläche von 2.3 ha an.
Rebberge in der Gemeinde Bonstetten in der Siegfriedkarte aus dem Jahre 1880.
Die renovierte Trockenmauer soll zukünftig so gepflegt werden, dass sie möglichst lange erhalten bleibt und der Natur bestmöglichst dient. Ziel ist es, dass möglichst viele Tiere wie Eidechsen, RIngelnatter oder Amphibien die Mauer und die nahe Umgebung als Rückzugsort und Nahrungssuchgebiet nutzen können.